Basel hat eine sehr reiche Tradition in der Förderung zeitgenössischer Musikpraxis. Am Münsterplatz steht mit der Paul-Sacher-Stiftung eine der international wichtigsten Sammlungen neuerer Musik mit Handschriften vieler klingender Namen. Als Musiker war Paul Sacher zwar teilweise umstritten, als Mäzen hat er jedoch unter Anderem auch mit der Gründung der Schola Cantorum Basiliensis ein phänomenales, heute unbezahlbares kulturelles Erbe hinterlassen.
Auf die Initiative von Christoph Müller hin versucht die Basler Composition Competition, an diese Tradition anzuknüpfen. Bei der ersten Durchführung im Jahre 2017 durfte ich mit einer Schulklasse die Uraufführung eines Werkes des Mexikanischen Komponisten Juan de Dios Magdaleno begleiten. Ich habe mit ihm einen äusserst spannenden Menschen kennengelernt. Ursprünglich auf dem Land aufgewachsen studierte er zunächst Architektur mit Mathematik und dann erst Komposition. Sein Stück "Die Bewegung der Zeit" hatte zwar aufführungstechnische und auch formale Ungereimtheiten, mir gefiel jedoch das Klangbild, das Juan mit dem Orchester zu erzeugen vermochte, gut. Nach Gesprächen mit ihm konnte ich denn auch feststellen, dass dieser Klang auf eine intensive Auseinandersetzung des Komponisten mit den instrumentalen Möglichkeiten eines Sinfonieorchesters zurückging, und die Folge eines längeren Schaffungsprozesses war. Leider wurde sein Werk nicht prämiert worauf Juan noch vor dem Schlusskonzert abreiste, ohne sich zu verabschieden.
Ich bin nicht Spezialist für zeitgenössische Musik, habe jedoch durch mein Studium in Basel eine doch recht gehörige Portion vieler Fragen rund um das zeitgenössische Musikschaffen mitgekriegt. Für mich war das zu Beginn des Studiums eine noch recht neue Welt, die sich mir immer mehr erschlossen hat. Eine schwierige Welt. Weit weg von der Erlebniswelt der meisten meiner Schülerinnen und Schüler und der meines praktisch ganzen privaten Umfelds. Die totale Ablehnung, der zeitgenössische Musik immer wieder ausgesetzt ist, stellt mich daher immer wieder vor recht schwierige Herausforderungen und sei das nur schon eine Diskussion über „Syrinx" von Debussy an einem Nachtessen nach einer Maturfeier. Syrinx ist ja für heutige Verhältnisse ein sehr harmloses Beispiel neuerer Musik.
Wenn neue, zeitgenössische Musik in Zukunft relevant sein soll, muss sie meiner Meinung nach Wege finden, wie sie auch einen "musikalisch ungebildeten Menschen" ansprechen kann, ohne dabei populistisch zu werden. Das geht nur mit Musik die bei ihrer Aufführung unmittelbar zugänglich ist und über Eigenschaften verfügt, die das menschliche Naturell direkt anspricht. Der Mensch muss sich in der Musik irgendwie wiederfinden und nicht gleichsam orientierungslos- und ratlos zurückgelassen werden. Natürlich helfen Hörgewohnheiten und musikalische Bildung dabei, Brücken zu zeitgenössischen Musikpraxiken zu bauen. Leider werden sie jedoch in der heutigen Gesellschaft viel zu wenig gebaut und genutzt.
Eine etwas heikle Frage zum Wettbewerb kann ich mir zum Schluss nicht verkneifen. Die erste Durchführung des Wettbewerbs gewann mit Víctor Ibarra ein Schüler des damaligen Jurypräsidenten Michael Jarrell. In der zweiten Durchführung gewann mit Benjamin Scheuer ein Schüler des Gründungspräsidenten der Jury, Wolfgang Rihm. Ein purer Zufall? Oder einfach die besten Kompositionen der Schüler der besten zeitgenössischen Komponisten? Gibt es überhaupt so etwas wie "den besten Komponisten"?
Ich habe Juan de Dios Magdaleno aus aktuellem Anlass zu erreichen versucht, jedoch keine Antwort erhalten. Seit dem ersten Wettbewerb 2017 scheint er in einer Schaffenskrise zu stecken. Zumindest sind auf seiner Homepage keine neueren Werke mehr zu finden. Schade! Ich fand die Klanglichkeit seines Werkes "die Bewegung der Zeit", wie man so schön zu sagen pflegt, interessant und
auch vielversprechend.