Trotz vieler coronabedingter Hindernisse findet er auch in diesem Jahr wieder statt: Der Wettbewerb "Basel Composition Competition", an dem zeitgenössische Komponistinnen und Komponisten aus aller Welt im Finale ihre Wettbewerbsbeiträge für Sinfonieorchester mit renommierten Basler Profiorchestern präsentieren können. Mit der Geschichte rund um Paul Sacher und der "Sacherstiftung" verfügt Basel über ein einmaliges Erbe zeitgenössischer Musikförderpraxis, das vielen nur wenig bekannt ist. Bereits zum dritten Mal findet zur Zeit dieses Festival im neu gegründeten Kulturzentrum "Don Bosco" leider unter Ausschluss eines Konzertpublikums statt.
Ein Anliegen des Festivals ist es, zeitgenössische Musikpraxis auch einer jüngeren Generation näher zu bringen. So können sich Schulklassen während des Wettbewerbs mit zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten treffen und so einmalige Eindrücke und Einblicke in die hochspezifische Praxis gewinnen.
In diesem Jahr war meiner Klasse der Japanische Komponist Hiroshi Nakamura mit seiner Uraufführung des Stücks "Nue" zugeteilt. Lange war unklar, ob wir uns überhaupt persönlich treffen können, aber dank diplomatischer Hilfestellungen konnte der Komponist ohne grossen Einschränkungen schliesslich doch noch in die Schweiz einreisen.
Das Stück "Nue" fasziniert durch seinen Bezug zur Japanischen Tradition des Notheaters, das vor einiger Zeit zum Unesco Weltkulturerbe ernannt worden ist. Mit Maskenspielen und archaischen Gesang entführt das ausschliesslich von Männern vorgetragene Theater das Publikum in eine Stille aber auch intensive Welt voller Magie.
Stille ist im Notheater und auch in der neuen Komposition ein wichtiges Gestaltungsmittel. Als Grundlage der Komposition diente ein Gedicht, das die Chimäre "Nue" als Mischwesen und Geist zwischen Leben und Tod im Theater umschreibt. Die Komposition ist in vielen Stellen recht durchsichtig und bewegt sich in Klangwelten jenseits gängiger Konventionen. Hiroshi Nakamura hat uns eindrücklich dargelegt, dass er persönlich in der zeitgenössischen Musikpraxis die einzige Ausdrucksform fand, die Chimäre "Nue" als Wesen zwischen Leben und Tod adäquat thematisch und musikalisch künstlerisch umzusetzen. Der Klang soll keine Erwartungen bedienen, sondern musikalisch und klanglich ein unmittelbares Hörerlebnis fern konventioneller musikalischer Stilmittel ermöglichen.
Unvergesslich wird folgende Episode bleiben:
Hiroshi hatte mich gebeten, während seines Besuchs an unserer Schule noch weitere persönliche Gäste aus Japan per Zoom einzuladen zu können. So stellte ich vor dem Gespräch ein IPad zur Übertragung bereit. Kaum hatte Hiroshi alle begrüsst, waren plötzlich vom Pad her Geklapper und Stimmen ohne Bild zu hören. Hiroshi trat heran und sprach ein paar Worte auf Japanisch worauf eine ganze Japanische Gesellschaft beim Abendessen auf dem Bildschirm erschien. Sie begrüssten uns freundlich auf Deutsch und stellten sich als Familie und Freunde des Komponisten vor, und wir erhielten für einen kurzen Moment Einblick in das gesellschaftliche Leben Japans.
Auch wenn die zeitgenössische Musik auch in der Schweiz in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt ist, war es für einmal mehr beeindruckend, welch grosse Faszination und Anziehungskraft doch von ihr ausgehen kann. Gerade im internationalen Kontext vermag sie Länder und Kulturen zu verbinden und hätte als Kunstform durchaus mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verdient.
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