Seit ungefähr zwei Jahren macht sich bei mir im Sommer regelmässig ein neues Gefühl breit, das ich bisher so noch nicht gekannt habe. Ich nenne es mal etwas plakativ "Schönwetterkoller". Viele Menschen lieben schönes Wetter; ich natürlich auch. Trotzdem waren nach meinem Geschmack die Schönwetterphasen in den letzten zwei Jahren etwas gar ausgedehnt. Wenn es Tag für Tag heiss und ein Ende der Hitzephase in den Prognosen nicht wirklich in Reichweite ist, wird mir regelmässig etwas unwohl. Rasenflächen und Wälder werden dann immer brauner und in der Erde tuen sich bedrohlich seltsam anmutende Trockenspalten auf. Nun leben wir zum Glück bisher immer noch in einer Welt des fliessenden Wassers. Auch in den trockensten Perioden strömt es wie selbstverständlich aus allen Wasserhähnen. Flüsse fliessen das ganze Jahr durch die Täler. Je nach Wasserstand ist auch bei uns ein beruhigendes, kontinuierlich stärkeres oder schwächeres Rauschen der Ergolz zu hören. So weit wäre doch alles in Ordnung und es gäbe eigentlich keinen Grund zur Beunruhigung.
Doch je länger in den letzten Jahren die Trockenperioden dauern, desto trügerischer wirkt das auf mich. Schönes Wetter und Hitze werden plötzlich zu einer Bedrohung, die ich bisher so nicht gekannt habe. Wird die Ergolz in naher Zukunft im Sommer noch fliessen? Wieviel braucht es noch, dass sie auch mal versiegen könnte? Werden auch bei uns ganze Wälder austrocknen oder abbrennen? Wie lange können sich die Gletscher noch halten?
In meiner Jugend hatte ich einen religiös fanatischen Lehrer, der regelmässig aus der Bibel zitiert hat. Sehr intensiv in meinem Gedächtnis eingebrannt haben sich seine Zitate aus der Offenbarung: "Der erste Engel blies seine Posaune. Da fielen Hagel und Feuer, die mit Blut vermischt waren, auf das Land. Es verbrannte ein Drittel des Landes, ein Drittel der Bäume und alles grüne Gras." Er verglich dieses Szenario schon in den Achtzigerjahren mit der Klimakatastrophe und lehnte daher Fernsehen und Autos strikt ab.
Eine weitere Lieblingsstelle von ihm war: "...und verführt, die auf Erden wohnen, um der Zeichen willen, die ihm gegeben sind zu tun vor dem Tier; und sagt denen, die auf Erden wohnen, daß sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war." Anschliessend pflegte er zu sagen: "Seht ihr, das Fernsehen ist des Teufels." Was würde er wohl heute zum Internet sagen?
Ein paar Jahre später bemalten wir in der Sekundarschule seitenweise Blätter mit saurem Regen, Borkenkäfern und sterbenden Wäldern bis er kam: Der Katalysator! Ich kann mich noch gut erinnern, wie viele damals meinten: "Wir kaufen uns nun ein Auto mit Katalysator, dann gibt es hoffentlich bald keinen sauren Regen mehr." Kurzfristig sollten sie Recht behalten. Die Mauer viel, es kamen die Neunzigerjahre und mit ihnen ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung. Für die Olympischen Sommerspiele in Barcelona, 1992, wurde mit ägyptischem Sand ein vier Kilometer langer Strand aufgeschüttet.
Heute, im Jahre 2020, drei Monate nach dem Lockdown, hat mich die Vergangenheit eingeholt. Der Wunderkatalysator ist zum Dreckdiesel in meiner Garage mutiert, der das wahre Problem über Jahre hinweg nur hinausgeschoben hat. Somit sehe ich einer Zukunft im neuen Jahrtausend entgegen, die vermutlich noch einige gute oder böse Überraschungen für uns und unsere Kinder mit sich bringen wird. Steht die Apokalypse bevor? Vermutlich nicht; ich habe versucht, mich von meinen Kindheitserinnerungen zu lösen. Aber es kommen sicher herausfordernde Fragen und Entwicklungen auf uns zu.....
geworden war.
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