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Autorenbildjuergsiegrist

Omikron überstanden



Als Kind war ich, wie viele andere auch, ab und zu mal krank. Ich kann mich noch gut an Fieberträume erinnern, in denen mir die Bettdecke immer schwerer wurde und mein Kopf zu einem dauernden Brummschädel anwuchs. Oft dauerten solche Krankheitsepisoden eine ganze Woche und kamen ein- bis zweimal pro Jahr vor. Meist haben mich die harmloseren Viruserkrankungen nicht zurückgeworfen. Eher im Gegenteil: Ich erlebte häufig einen Zustand einer gewissen «Stärkung» nach einer überwundenen Krankheit. Es war dann jeweils so, wie wenn ich dann mit der Welt etwas besser klar kommen würde.

Unser hochgetakteter Alltag erlaubt es uns heute fast nicht mehr, krank zu sein. Haben wir mal eine Erkältung, werfen wir ein paar Schmerztabletten ein, und funktionieren einfach weiter; im schlimmsten Fall bis zum Burnout. Während der Coronazeit war das nun völlig anders; plötzlich war krank sein wieder erlaubt und das Zuhausebleiben wurde explizit verordnet und war nicht Zeichen eines schwächlichen, gebrechlichen Individuums einer Leistungsgesellschaft.

Auch wenn die Isolationszeit, während der unsere ganze Familie Omikron hatte, mühsam war, hat sie doch unseren hochfrequentierten Alltag einmal mehr um einiges beruhigt. Es ging jetzt in erster Linie darum, diese Krankheit gemeinsam möglichst schadlos zu überstehen. Alle mussten in der intensivsten Phase der Krankheit das Bett hüten; auch die Erwachsenen, und es hat sich einmal mehr gezeigt, dass der Heilungsprozess unterstützt werden kann, wenn dem Körper während der Erkrankungszeit genug Ruhe und Erholung gegönnt wird; das heisst nicht unbedingt, dass man den ganzen Tag nur im Bett liegen soll, sondern eher, dass man seinen eigenen Tagesrhythmus und seine Aktivitäten den Bedürfnissen des Körpers anpassen sollte.

Morgen gelte ich als offiziell «genesen». Damit bin ich nach bald zwei Jahren coronaspezifisch zweimal genesen und dreimal geimpft. Was davon mehr geholfen hat und was nicht kann ich nicht beurteilen. Was ich jedoch merke ist, dass ich nun nach meiner erneuten Genesung wie schon früher als Kind die Welt leicht anders sehe als vorher.

Kurz nachdem ich wieder zur Arbeit gegangen bin, haben mich einige Kolleginnen und Kollegen wie schon vor einem Jahr auf die Erkrankung angesprochen: «Und, wie geht es dir?», haben sie mit einer gewissen Neugier gefragt. Meine Antwort war beide Male etwa ähnlich: «Eigentlich hatte ich nur eine Erkältungsgrippe.» Das war nicht gelogen und auch in keiner Weise verharmlosend gemeint, aber meine bisherige persönliche Erfahrung mit dem Virus beschränkt sich nun mal auf zwei Erkältungsepisoden; nicht mehr und nicht weniger. Das heisst überhaupt nicht, dass es in anderen Fällen nicht auch zu schweren Komplikationen kommen kann.

Was macht der Faktor Mensch in dieser Krise aus? Ist es wirklich so, dass das Virus mit seinen Veränderungen die grosse epidemische Frage sein muss? Wo bleibt die Diskussion darüber, wie wir als Menschen und Gesellschaft auf das Virus reagieren und reagiert haben? Gerade die jetzige Situation zeigt deutlich auf, dass die Menschen und Gesellschafte sich vermutlich eher dem Virus anpassen müssen und nicht umgekehrt. Impfungen helfen, sind aber nicht der einzige Faktor in diesem Prozess.

Mental ging es mir bei der ersten Infektion im Dezember 2021 wesentlich schlechter als bei der zweiten. Ich hatte grosse Angst vor einem schweren Verlauf und andauernd Bilder überfüllter Intensivstationen im Kopf. Der Arzt sprach von möglichen Atemproblemen und körperlichen Beschwerden, die überhaupt nicht eingetreten sind. Nachts schlief ich schlecht und hatte dauernd die Befürchtung, nicht richtig atmen zu können. Wirkliche Erkältungssymptome hatte ich damals fast keine und ohne einen positiven Test wäre ich vermutlich normal zur Arbeit gegangen.

Die zweite Infektion verlief völlig anders. Ich hatte keine Angst mehr vor einer möglichen Komplikation dafür viel stärkere Erkältungssymptome von Schnupfen über Heiserkeit bis zu Kopfschmerzen. Aber wie schon gesagt, ohne die ganze Coronageschichte hätte ich auch hier gesagt, ich hätte eine normale Erkältung gehabt.

Meine Gedanken sind bei jenen, die geliebte Menschen in dieser Krise verloren haben und bei denen, die immer noch an den Folgen eines schweren Verlaufs zu kämpfen haben. Gleichzeitig sollten wir aber auch als Gesellschaft die Chance nutzen, nach einer derart intensiven und einschneidenden Zeit, offen und ehrlich die neu entstandene Situation einzuschätzen und wie nach einer längeren Krankheit vieles in neuem Licht zu sehen.

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