«Überall ist eine Sprache. Wo gesprochen wird, wird in vielen Sprachen gesprochen. Sie weisen aufeinander hin. Sie bedingen sich. Sprachen haben Platz. Sie nehmen sich nichts weg. Sie fügen hinzu.» Dieses Zitat stammt aus dem Projekt «Bern ist überall», das vor einigen Jahren gegründet wurde. Nein, ich bin nicht Berner, aber ich habe zumindest gewisse «Bernerische Ansätze» mütterlicherseits. Daher klingt für mich der Berner Dialekt ein Stück weit auch heute noch sehr vertraut.
Seit gestern ist mir klar geworden, dass das Gefühl einer Weltverbundenheit gekoppelt mit einem starken regionalen Bezug und fast bodenständiger Verwurzelung nicht nur im Projekt «Bern ist überall» sondern als generelles «Berner Lebensgefühl» auch an vielen anderen Orten vorzufinden ist und wesentlich tiefer liegt als ich bisher geglaubt habe.
Bern, ein Kanton mit ländlichen und städtischen Gegenden, Industrien und Landwirtschaft, hat sich bis ins im 21. Jahrhundert eine starke eigene Authenzität bewahren können. Während in anderen Städten mittlerweile grössenwahnsinnige anmutende Wolkenkratzer von Grosskonzernen das ursprünglich historische Stadtbild dominieren und Kirchentürme um ein Vielfaches überragen, ist Bern zwar eher provinziell aber dafür auch authentisch geblieben und versteht sich damit selbstbewusst verbunden mit allem, was sich selber treu geblieben ist.
Seit gestern hat sich diese Geschichte um eine neue Dimension erweitert. Als erste Band der Schweiz konnte „Patent Ochsner» ein Konzert unter dem legendären Label «MTV unplugged» gestalten. Das Konzert, das live aufgezeichnet wurde, verkörpert mehr als nur ein musikalisches Ereignis; es verkörpert ein ganzes Lebensgefühl. Ein Bandmitglied sprach in einem Interview davon, dass die Art wie hier zusammen gearbeitet wurde, in gewissem Sinne auch einem Ideal von Zusammenleben entsprechen kann. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses unglaublich intensive, fast utopische Konzept für mich für längere Zeit aushaltbar wäre, aber über eine bestimmte klar definierte Phase funktioniert es zweifellos und hier auf eindrückliche einmalige Weise phänomenal gut.
Patent Ochsner mit ihrem Leadesänger Bühne Huber hatte in diesem Projekt die Möglichkeit, die eigenen Stücke nach dreissigjähriger Bandgeschichte neu zu entdecken. Ich kann mich noch gut an ihre erste CD mit dem urchigen Titel «Schlachtplatte» aus dem Jahr 1991 erinnern. Schon vom ersten Moment an war in dieser Musik die Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln klar angelegt. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir heute nicht mehr so bekannte Stücke wie "Ämmitau» oder «Schuumbad 1 und 2». Vor allem die letzteren zwei waren alles andere als «konventioneller Schweizer Rock». Der Sound war bewusst etwas unsauber und frech arrangiert und wirkte trotzdem völlig authentisch.
Was die Band nun diese Woche dreissig Jahre später herausgebracht hat, ist meiner Meinung nach einmalig. Der Klang ist differenziert und raffiniert gestaltet und die Stücke erscheinen in einem völlig neuen Klangbild. Geschickt wird mit bewährten und neuen Elementen experimentiert und jedes Stück hat einige Überraschungen auf Lager.
Bern ist überall: Mit der Version «Patent Ochsner unplugged» hat dieses Lebensgefühl eine neue Dimension erreicht. Das Album ist ein Meilenstein der Schweizer Musikgeschichte, weil es das Lebensgefühl und gleichzeitig die Vision vieler Menschen einer ganzen Gegend transformiert und fassbar macht. Bern ist überall- im Herzen der Schweiz – weltverbunden und doch nahe am Ursprung und der Kernidee. Meiner Meinung nach ist «Patent Ochsner unplugged» ein Meisterwerk und beispielloses Zeitzeugnis.
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