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Jürg Siegrist

Die digitale Transformation findet statt...???


Die digitale Transformation findet statt....Ein Satz, den es in letzter Zeit oft zu hören gibt. Ist es nun von Vorteil, dass ich kein "digital Native" bin, oder gehöre ich schon zum alten Eisen, wenn ich es wage, gewisse Tendenzen der Digitalisierung zu hinterfragen? Leider gestaltet sich die Diskussion zur Digitalisierung auf Grund verschiedener Faktoren (Wirtschaftliche Interessen, Lobbying, Ängste, verschiedenste persönliche Auffassungen..) eher schwierig; natürlich findet die digitale Transformation statt. Das wird wohl niemand mehr bestreiten; was das nun aber genau bedeutet und welche Wege, und davon gibt es viele, wirklich sinnvoll sind, wird wenig diskutiert. In Zeitungen werden an ersten Schultagen stolz Roboter als moderne, neue Lernhilfe propagiert, obwohl es erwiesenermassen immer noch die Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schüler ist, die am ehesten positive Effekte auf die Unterrichtsqualität und den Lernerfolg hat.....wird sich das in unmittelbarer Zukunft ändern? Ich wage das zu bezweifeln.....

Es gibt jedoch viele Bereiche, in denen die digitale Transformation ein Gewinn ist. So habe ich beispielsweise seit wenigen Jahren Zugriff auf eine immense Menge an Mediendateien, auf die ich jederzeit online zugreifen kann. Für meinen Unterricht bedeutet dies eine Erleichterung und gleichzeitig auch eine enorme Bereicherung. Gleichzeitig sind beispielsweise alle Handschriften Johann Sebastian Bachs online zugänglich. Ein unglaublicher Fundus. Jedoch nützen diese Quellen wenig, wenn nicht darauf hingewiesen und vermittelt wird, dass wir es hier mit einem Höhepunkt der Europäischen Kulturgeschichte zu tun haben und genau dafür braucht es in den meisten Fällen wieder den Faktor Mensch, der das zu vermitteln vermag. Zusätzlich habe ich den Eindruck, dass Schülerinnen und Schüler neuartiger „Bring your own Device“-Klassen im Musikunterricht auch gerne mal für einige Zeit nicht vor dem Bildschirm sitzen.

Und wie steht es um die vielgelobte Vereinfachung, die die digitale Transformation bringen soll? Davon sehe ich momentan noch herzlich wenig. Im Gegenteil; zur Zeit sehe ich mich mit der Situation konfrontiert, dass sehr viele Daten sowohl digital als analog dokumentiert werden müssen. Dies beginnt bei meiner grossen Sammlung digitaler und analoger musikalischer Fachliteratur, geht weiter zu mehrfach gespeicherten und festgehaltenen Notenlisten, über die Tatsache, dass ich unzählige Kommunikationswege (Mail, Brief, Chats, Plattformen...) parallel bedienen muss, die Jahr für Jahr mehr werden. Wenn ich mir vorstelle, dass ich in Zukunft für jeden Kurs, den ich gebe, noch zusätzlich einen Chatroom mit allen Unterrichtsunterlagen bedienen soll, wird mir schwarz vor den Augen.....

Ich wünsche mir daher ein Umfeld, dass der Versuchung digitaler Gleichschaltungen nicht verfällt, damit jede oder jeder die Stärken der Digitalen Transformation für sich selber entdecken und individuell einsetzen kann. Vor diesem Hintergrund haben analoge Medien wie Wandtafel, Flipchart, Bücher, Farbstifte, Kreiden, Bleistifte, Pinsel, Leuchtstifte, Notizhefte....hoffentlich noch lange nicht ausgedient. Am Ende lässt sich denn auch eine originale Handschrift von Bach zwar digitalisieren aber dadurch niemals ersetzen.

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