Man hat es heute in vielen Onlinemedien lesen können: Eine Gruppe junger Menschen soll in einem Basler Restaurant politisch motiviert abgewiesen worden sein. «Die hässliche Seite von Basel», wird die Geschichte in den Onlinemedien reisserisch betitelt. Ist die Gruppe unangemeldet schlicht zu gross gewesen? So stellt es zumindest heute der betroffene Wirt dar.
Vor mehr als einem Jahr haben wir als Familie ein spezielles Wagnis auf uns genommen und in den Ferien einen Sprung über den Röstigraben nach Vevey gewagt. «Wie geht man dort mit Deutschschweizern um», war eine Frage, die ich mir vielleicht etwas naiv im Vorfeld gar nicht gestellt habe. Das erste grosse Staunen habe ich dann jedoch bereits beim Einchecken im Hotel erlebt. Während in Bundesbern jede Politikerin und jeder Politiker und vor allem Verwaltungsangestellte mindestens «Französisch Delf B2» beherrschen müssen, kommt man an einer Rezeption eines grösseren Westschweizer Hotels mit Deutsch nicht besonders weit. Schnell heisst es hier: «Do you speak English?», was mir dann derart absurd vorkam, dass ich dann doch mein etwas verstaubtes und rudimentäres Schulfranzösisch ausgepackt habe.
Noch spannender wird es, wenn man in Vevey das Tourismusbüro betritt. Zwei jüngere Damen schauen uns fragend an, als ob wir von einem anderen Stern kommen würden. In der Vitrine liegt eine Mütze des «Fête des Vignerons». Mein Vater hatte mich vor der Reise gebeten, in Veyey nachzufragen, ob es diese Mütze noch gebe, er habe leider seine damals auf der Rückreise im Zug vergessen. Ich frage also, natürlich auf Französisch, höflich nach. «Nein, es gäbe diese Mützen schon lange nicht mehr und der Aussteller sei absolut unabkömmlich», war die etwas reservierte Antwort der Tourismusfachfrau.
Um die Ecke liegt ein Geschäft, das für unsere Kinder besonders attraktiv scheint. Wir gehen hinein. Punkt zwölf sagt die schon etwas ältere Ladenbesitzerin: «On ferme». «Chinder, si mache zue» sage ich. «Jo, mir mached zue» sagt die Ladenbesitzerin plötzlich auf Mundart und wir kommen, natürlich auf Schwitzerdütsch ins Gespräch. Sie erzählt uns, dass sie aus der Ostschweiz stamme und schon lange in Vevey lebe. Um nicht geschmäht zu werden, konnte sie früher mit ihren Kindern in der Öffentlichkeit nicht Schwitzerdütsch sprechen. Kann das denn wirklich wahr sein?
Wir schnlendern weiter zur Seepromenade und nehmen in einem leeren Restaurant Platz. Die Kellnerin bringt uns gleich die Speisekarte. Als sie merkt, dass wir «Schwiitzerdütsch» sprechen, wirkt sie leicht irritiert; ich denke mir jedoch nicht viel dabei. Knappe zwei Minuten später steht der «Chef de Service» vor uns und erklärt uns, dass in diesem Restaurant alle Tische reserviert seien. Sehr kühl, ohne Bedauern schaut er mir in die Augen. Vor meinem Auge läuft ein Film diverser Diskriminierungsgeschichten ab, die ich gelesen oder gesehen habe. Bin ich hier eigentlich im falschen Film?
Wir stehen etwas konsterniert wieder auf und essen weiter vorne an einer Bude einige Hotdogs. Etwas später laufen wir an einem Souvenirshop vorbei. Es sind unzählige Mützen des «Fête des Vignerons» ausgestellt. Und da erlebe ich sie doch noch, die Gastfreundschaft, die ich mir eigentlich gewünscht hätte. Die Verkäuferin scherzt mit unseren Kindern und fragt nach, woher wir denn kommen würden. Ja, sie habe noch viele von diesen Mützen und sie verkaufe sie nun zu einem günstigeren Preis. Schliesslich sei das Fest schon lange vorbei.
Am Abend finden wir eine gemütliche Qaurtierbeiz, wo wir zu Abend essen. Auch hier ist die Kellnerin sehr freundlich. Sie freut sich an den Kindern, versucht sogar ein paar Brocken Deutsch zu sprechen und erzählt uns, dass auch gut Französisch sprechende Westschweizer den zwingenden Französischtest zur EU-Einbürgerung nicht bestehen würden…
Gastfreundschaft ist ein Geschenk. Sie ist bei weitem nicht selbstverständlich und es gibt x-Gründe, warum sie auch mal nicht entstehen kann. Basel ist überall.....
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