Keystone / Alessandro della Valle
Basel ist eine Chorstadt, und das seit Jahrhunderten. Johannes Brahms hat hier schon persönlichlich den Gesangverein dirigiert und seit der Gründung der Schola Cantorum Basiliensis hat Vokalmusik seit neunzig Jahren eine besonders grosse Bedeutung in der Stadt erlangt. Grosse Chorschulen wie die Mädchen- und Knabenkantorei sind hier angesiedelt und Basel wird regelmässig mit dem Europäischen Jugendchorfestival alle zwei Jahre zu einem beliebten Zentrum des Europäischen Jugendchorgesangs.
Wenn ich jedoch mit Schweizer Kolleginnen und Kollegen über die Schweizer Chorszene diskutiere, tönt es ab und zu auch mal ganz anders. Im Kanton Fribourg und im Bündnerland sei die Chorszene lokal viel stärker verankert und habe allgemein einen viel grösseren Stellenwert als in den beiden Halbkantonen Baselland und Basel-Stadt, kriege ich nicht selten zu hören. In solchen Situationen verstehe ich jeweils gar nicht, wie man überhaupt auf eine solche Position kommen kann, weil sie nach meiner Wahrnehmung schlicht falsch ist und sich ein urbaner Raum wie Basel gar nicht mit den Kantonen Freiburg oder Graubünden vergleichen lässt.
Es gibt auch nicht wenig Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, die das Chorwesen generell ziemlich unverhohlen als verstaubt und nicht wirklich attraktiv bezeichnen. «Als ich gesehen habe, dass als Programmpunkt ein Chor singt, habe ich nicht unbedingt Freudensprünge gemacht», sagte mir unlängst ein Topmanager an einem Anlass eines internationalen Grosskonzerns. Und weiter: «Ich konnte ja nicht wissen, dass das dann so klingen wird.» Diese Aussage habe ich nie mehr vergessen und zeigt deutlich auf, dass Chormusik in der Gesellschaft gerade von Aussenstehenden sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Tatsächlich gibt es seit je her unter den Chören grosse Qualitätsunterschiede. Dies hat aber vor allem damit zu tun, dass Chöre ganz unterschiedliche Profile und Voraussetzungen haben und ein einfacher gemischter Chor eines Dorfs nicht mit einem ambitiösen Vokalensemble verglichen werden kann. Beide haben ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen. Trotzdem ist es in vielen Fällen erstaunlich, in welcher Qualität gerade auch ländlich orientierte Chöre teilweise singen können.
Am letzten Montag ist die Qualität des Basler Chorsingens über den Jura einmal mehr bis nach Bundesbern gedrungen. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich im Alter von siebzehn Jahren mit der Knabenkantorei Basel an den Jubiläumsfeierlichkeiten der damals 700-jährigen Eidgenossenschaft am selben Ort gesungen habe. Kaspar Villigers Votum, der rund zwei Meter hinter mir gesessen hat, war: «Es isch guet gsi!»
Nun haben am letzten Montag gleich zwei Basler Chöre an Wahlen der nationalen Ratspräsidien gesungen. Zum einen die Männerstimmen Basel und im Ständerat der Basler Beizenchor. Besonders gefreut hat mich das Programm der Männerstimmen, die mit Paul Schaller einen Basler Komponisten aufs Programm genommen haben, der zu Lebzeiten ein sehr erfolgreicher und aktiver Chordirigent in der Region Basel gewesen ist und heute nicht mehr so viel aufgeführt wird. Auch der Basler Beizenchor hat mit Arrangements von Songs, die häufig aus der Feder der eigenen Chorleiterin stammen, eine sehr innovative Form aktuellen Chorgesangs an den Tag gelegt.
Basel ist eine Chorstadt oder besser eine Chorregion und das lässt offensichtlich auch die Politik nicht kalt. Irre ich mich, oder hat tatsächlich in der Wandelhalle des Bundeshauses ein amtierender Basler Regierungsrat als ehemaliger Sänger der Knabenkantorei engagiert in «La Montanara» mit eingestimmt? Genau so hat es für mich zumindest im Fernsehen ausgesehen. Ich habe mich über das Chorprofil der vergangen parlamentarischen Präsidialwahlen wirklich gefreut und es dürfte einmal mehr offensichtlich geworden sein: «Auch die Region Basel ist eine Chorregion!“
Kommentit