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Wenn Messen wichtiger wird als Lernen – ein Blick auf die Vergleichstests im Kanton Baselland

Bald ist es wieder soweit: In den Schulen des Kantons Baselland stehen die kantonalen Vergleichstests an. Lehrpersonen bereiten ihre Klassen vor, Eltern fragen sich, was da genau geprüft wird, und Kinder spüren – oft unausgesprochen – den Druck, „gut abzuschneiden“.


Und während die Resultate gesammelt, verglichen und ausgewertet werden, stellt sich einmal mehr die Frage: Was genau messen wir hier eigentlich – und wozu?


Bildung als Zahlenspiel

Die Idee klingt auf dem Papier vernünftig: Vergleichstests sollen zeigen, ob die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Gemeinden ähnliche Lernziele erreichen. Transparenz, Qualitätssicherung, Evidenz – die Schlagworte sitzen.


Doch in der Realität führen sie zu einem vertrauten Dilemma: Je stärker Bildung messbar gemacht wird, desto weniger bleibt Raum für das, was sich nicht messen lässt – Neugier, Kreativität, soziale Kompetenz, Mut zum Denken.

Lehrpersonen wissen das. Sie wissen, wie Lernprozesse aussehen, die Zeit brauchen, Umwege gehen, von Gesprächen, Missverständnissen und Entdeckungen leben. Aber solche Prozesse lassen sich nicht in standardisierte Tests pressen. Und so entsteht eine subtile Verschiebung: von der Frage „Wie lernen Kinder?“ hin zu „Wie schneiden sie ab?“


Pädagogische Realität versus politische Symbolik

Man muss es deutlich sagen: Vergleichstests dienen längst nicht mehr primär der pädagogischen Reflexion, sondern der politischen Legitimation. Sie schaffen Zahlen, mit denen sich Leistungsfähigkeit simulieren lässt.


Der Kanton kann zeigen, dass er „auf Kurs“ ist, die Schule erscheint effizient, und die Öffentlichkeit erhält das beruhigende Gefühl, Bildung sei kontrollierbar.

Dabei bleibt die pädagogische Praxis im Schatten dieser Symbolpolitik. Nicht selten werden zusätzlich die individuellen fachlichen Fähigkeiten grundlegend an diesen Tests gemessen und es wird vergessen, dass die Resultate nur ein einzelner Messpunkt eines Lernprozesses sind und nur selektiv auf Grund von Entscheidungsprozessen Fähigkeiten abzubilden vermögen.


Bildung braucht Vertrauen, nicht Kontrolle

Natürlich ist es sinnvoll, Unterricht zu reflektieren und Qualität zu sichern. Aber wirkliche Qualität entsteht nicht durch Vergleichbarkeit, sondern durch Beziehung, Haltung und Vertrauen.


Wer Bildung ernst nimmt, muss Lehrpersonen zutrauen, ihre pädagogischen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen – und Kindern die Freiheit geben, auf unterschiedliche Weise zu lernen.

Kantonale Vergleichstests dagegen fördern eine Kultur der Kontrolle. Sie nähren Misstrauen statt Zusammenarbeit, sie reduzieren Vielfalt auf Durchschnittswerte, und sie erzeugen Druck, wo eigentlich Neugier wachsen sollte.


Ein Plädoyer für das Unmessbare

Vielleicht wäre es an der Zeit, sich wieder zu fragen, was Bildung im Kern bedeutet.


Nicht Leistung, nicht Vergleich, nicht Standardisierung – sondern Entwicklung, Begegnung, Selbstwirksamkeit.

Solange Baselland (und andere Kantone) Bildung auf Kennzahlen reduziert, bleibt das Entscheidende unsichtbar: das lebendige, manchmal chaotische, aber zutiefst menschliche Lernen, das keine Tests und keine KI je abbilden können.


 
 
 

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